Urheberrechtsbeeinträchtigung durch Modernisierungsmaßnahmen
Ein Bauwerk oder ein Teil eines Bauwerks sind nach § 2 I 4 urheberrechtlich geschützt, wenn es sich aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens herausragt, also einer ausreichenden schöpferischen Individualität, einer künstlerischen Qualität aufweist. Für die Beurteilung der Schöpfungshöhe eines Werks der Baukunst ist der ästhetische Eindruck maßgeblich, den das Werk nach dem Durchschnittsurteil des für die Kunst empfänglichen und mit Kunstfragen einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt.
So kann eine Glasfassade der entsprechenden Schöpfungshöhe aufweisen, die sich aus dem Zusammentreffen der Belange des Urhebers einerseits und des Eigentums andererseits ergebenden Konflikte durch eine Abwägung der jeweils betroffenen Interessen im konkreten Einzelfall zu lösen, wobei das Bestands- und Integritätsinteresse des Urhebers an der Erhaltung des Werkes und die Interessen des Eigentümers an einer Beeinträchtigung und Veränderung des Werkes abzuwägen sind. Das Urheberrecht und das Eigentumsrecht stehen sich insoweit gleichrangig gegenüber, der Vorrang ist im Wege der Interessenabwägung zu finden. Für die Abwägung dieser Interessen hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, die aber nicht als starre und allgemeingültige Regeln aufzufassen sind. So kann die Interessenabwägung zu einem engeren oder weiteren Freiheitsspielraum des Nutzers führen und je nach Art der Werknutzung unterschiedlich ausfallen.
Ein maßgeblicher und wesentlicher Abwägungsfaktor ist der individuelle Schöpfungsgrad, da das Interesse des Urhebers an der unveränderten Erhaltung seines Werkes hiervon beeinflusst wird. Je größer die Gestaltungshöhe ist, desto stärker sind die persönlichen Bindungen des Urhebers an sein Werk und umso höher ist das Erhaltungsinteresse zu bewerten. Selbst die Annahme eines hohen individuellen Schöpfungsgrades darf aber nicht dazu führen, dass Änderungen dann generell ausgeschlossen sind, weil ansonsten die von der höchst richterlichen Rechtsprechung geforderte Interessenabwägung obsolet wäre und dies quasi zu einer Nutzungsberechtigung führen würde. Es gibt keinen absoluten und ausnahmslosen Vorrang des Erhaltungsinteresses bei überragender Schöpfungshöhe oder einzigartigen Werken. Das künstlerische Ansehen des Urhebers ist nach der Rechtsprechung ebenfalls von Bedeutung, da dies auf den Rang seiner Werke durchschlägt.
Weiterhin spielen bei Werken die enteignungsähnliche Situation des Werkeigentümers und der Baukunst, der Gebrauchszweck und die bestimmungsgemäße Verwendung des Bauwerks eine wesentliche Rolle, weil der Urheber mit wechselnden Bedürfnissen des Eigentümers und des Lebens rechnen muss. Er weiß, dass der Eigentümer das Bauwerk für einen bestimmten Zweck verwenden möchte und muss daher davon ausgehen, dass aus wechselnden Bedürfnissen des Eigentümers ein Bedarf nach Veränderung geben kann. Erforderlich ist auch insoweit eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Interessenabwägung. Insgesamt ist bei Bauwerken den Nutzungsinteressen des Eigentümers aber eine größere Bedeutung zuzumessen, als bei anderen Werkarten. Zu berücksichtigen sind deshalb auch Modernisierungsinteressen des Eigentümers und wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie z. B. die Veränderung eines Flachdaches in ein geneigtes Dach nach aufgetretenen Wasserschäden (OLG Düsseldorf vom 08.09.2015, 20 U 75/14).